Gähnende Leere

WIRTSCHAFT Viele Städte in Sachsen-Anhalt kämpfen gegen das immer größer werdende Ladensterben an – auch  Zeitz. Von dem einstigen Glanz ist nicht viel geblieben. Doch es gibt Hoffnung.

Von Sebastian Meyer

In der zentrumsnahen Rahnestraße in Zeitz stehen viele Ladenflächen leer. Ein Bild, das in etlichen Städten  Sachsen-Anhalts zu sehen ist. Foto: Andreas Stedtler
In der zentrumsnahen Rahnestraße in Zeitz stehen viele Ladenflächen leer. Ein Bild, das in etlichen Städten Sachsen-Anhalts zu sehen ist. Foto: Andreas Stedtler

 

Zeitz. - Ladensterben – fast überall ist davon zu hören, nicht nur in Sachsen-Anhalt. Laut dem Handelsverband Deutschland ist die Anzahl der Einzelhandelsgeschäfte in Deutschland seit 2015 von 372.000 auf 311.000 gesunken. In Sachsen-Anhalt mussten in den vergangenen Jahren selbst namhafte Ketten wie Galeria die Türen schließen.

Im Süden Sachsen-Anhalts hat es vor allem Zeitz hart getroffen. Zu DDR-Zeiten noch als großer Industriestandort bekannt, ist heute in der Stadt im Burgenlandkreis kaum noch etwas übrig von der Bedeutung der 1980er Jahre. Nach der Wende gingen viele Unternehmen pleite oder wanderten ab. Teilweise ist das Stadtbild von den Ruinen und Industriebrachen alter Firmen, wie der Zeitzer Kinderwagenindustrie (Zekiwa), geprägt. In der Innenstadt fristen leere Geschäfte ein tristes Dasein. Doch es gibt noch Hoffnung.

Großer Einwohner-Schwund

„Es ist ein globaler Trend und Zeitz ist keine Insel“, sagt Oberbürgermeister Christian Thieme. „Natürlich sind wir auch davon betroffen.“ Dennoch ist er der Überzeugung, dass die Bürger die Zeitzer Innenstadt schlechter reden, als sie eigentlich ist. Schließlich gibt es mit Rossmann und Edeka zwei große Ketten, die in Zeitz noch vertreten sind. Außerdem: Stadtführungen, wie durch die historische Altstadt oder eine Führung durch ein Labyrinth aus unterirdischen Gängen, bringen Leben in die Stadt.

Viele Bürger wünschen sich zwar eine belebte Innenstadt, seien aber nicht bereit dort einzukaufen, bemängelt Thieme. Und das, obwohl rund 41 Prozent der Bewohner über 60 Jahre alt sind. Trotzdem wolle Thieme nicht leugnen, dass es durchaus Probleme in der Zeitzer Innenstadt gibt.

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Die Zeitzer Innenstadt von oben Foto: Imago/Steffen Schellhorn
Zeitz leidet unter einem fortschreitenden Einwohnerschwund. Foto: Imago/ Steffen Schellhorn

Laut dem Statistischen Landesamt haben im Jahr 1988 noch rund 50.000 Menschen in Zeitz gelebt. 2022 lag diese Zahl nur noch bei knapp 28.000. Das hat Folgen. „Viele Ketten, wie Thalia oder Blume 2000 sind umgezogen“, sagt der Zeitzer Oberbürgermeister. Erst Anfang des Jahres hat mit dem Sportartikelladen „Spowa zum Roß“ ein etabliertes Geschäft in der Zeitzer Innenstadt geschlossen. Vielen Kunden sei nicht klar, dass die Geschäfte in der Innenstadt nur erhalten bleiben, wenn sie auch da einkaufen, statt nach Schnäppchen im Internet zu suchen, erklärte Inhaber Jörg Stöver bei der Schließung.

In den vergangenen Jahren habe die Zeitzer Stadtverwaltung dementsprechend einiges getan, um endlich wieder mehr Menschen ins Zentrum der Zucker-Stadt zu locken, erklärt Ines Will, Leiterin der Wirtschaftsförderung Zeitz. So schloss die Stadt Zeitz 2020 einen Kooperationsvertrag mit der Sachsen-Anhaltischen Landesentwicklungsgesellschaft (Saleg) ab. Dadurch wurde das Projektbüro „Stadt der Zukunft Zeitz“ ins Leben gerufen. „Wir sind in vielen Städten Sanierungsträger“, erklärt Projektbüroleiter Martin Stein.

Ziel ist es: Attraktivität in der Stadt zu schaffen

Ziel sei es, verschiedene Projekte umsetzen, um Zeitz wieder nach oben zu bringen und der Stadt den Glanz vergangener Zeiten zurückzugeben. So konnte das Projektbüro beispielsweise im Rahmen des Bundesprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ Fördermittel für die Stadt einwerben, um leerstehende Immobilien zu revitalisieren und Gründer zu unterstützen.

Die Devise bei allen Projekten lautet: Attraktivität schaffen. Dafür gibt es verschiedene Herangehensweisen, etwa durch neue Läden, neue Attraktionen oder das Schaffen hochwertigen Wohnraums

Heute leben in Zeitz noch knapp 28.000 Menschen. Foto: Andreas Stedtler
Heute leben in Zeitz noch knapp 28.000 Menschen. Foto: Andreas Stedtler

Alternative Nutzung

Oberbürgermeister Christian Thieme hält vor allem sogenannte „Frequenzbringer“ für einen entscheidenden Schlüssel. Das neu geschaffene Medizinische Versorgungszentrum mit sieben Ärzten  sei ein solch die Innenstadt belebendes Gebäude. Durch dieses würden schätzungsweise täglich 400 bis 500 Menschen mehr durch das Zeitzer Zentrum gehen, erklärt Thieme. „Und vielleicht holen sie sich dann auf dem Rückweg doch ein Eis oder gehen  noch zu Rossmann“, fügt er hinzu.

Auch die Agentur für Arbeit, die kürzlich in die zentrumsnahe Wendische Straße umgezogen ist, könnte seiner Meinung nach für mehr Publikumsverkehr sorgen.

Trotzdem müsse man sich von dem Gedanken verabschieden, dass der Einzelhandel eine glorreiche Zukunft vor sich habe, fährt Thieme fort. Daher  plant die Stadt Zeitz nun mit alternativen Nutzungsmöglichkeiten der Ladenflächen.

Ein sehr positives Beispiel hierfür sei der „World of Work“ Co-Working-Space, der 2022 seine Türen erstmals öffnete. Die Leiterin für Wirtschaftsförderung Ines Will meint: „In die Immobilie wäre nie wieder ein Laden reingegangen.“ Zudem öffnete mit der Kreativwerkstatt „Krimzkrams“ erst kürzlich ein weiterer neuer Laden.

Will: Zuzüge liegen über den Wegzügen

Abseits der Innenstadt setze man vor allem auf Wachstum der Industrie, die ohnehin schon mit dem Energie- und Industriedienstleister „Mibrag“ und der Zuckerfabrik „Südzucker“ gut aufgestellt ist. Die Industrie könne für mehr Arbeitsplätze und somit auch für mehr Einwohner sorgen, die dann wieder die Innenstadt beleben würden.

Einen Schritt dahin könnte das geplante Wasserstoffnetzwerk bringen, so Thieme, da es viele neue Arbeitsplätze ermöglichen könne. Zudem wolle man in Zeitz mehr hochwertigen Wohnraum anbieten. Bereits jetzt lassen sich erste positive Resultate der Arbeit in Zeitz sehen. „Unsere Zuzüge liegen über den Wegzügen“, erklärt Ines Will.

Es sei zwar ein langwieriger Prozess, der sich aus vielen  Teilschritten zusammensetzt, dennoch sei sich Ines Will sicher, dass man einen guten Weg eingeschlagen hat. Auch Oberbürgermeister Christian Thieme zeigt sich in Bezug auf die Zeitzer Zukunft  zuversichtlich. „Man muss den eingeschlagenen Weg weitergehen, ohne sich vom Genörgel anderer beirren zu lassen“, sagt er. Ein Ausblick, der auch anderen Städten in Sachsen-Anhalt Hoffnung machen dürfte.