Warum schließen Geschäfte?

LADENSTERBEN Immer wieder beklagen sich Menschen über den Leerstand von Gewerbeflächen auf dem Land, aber auch in den Städten. Mit welchen Problemen kleine Unternehmen zu kämpfen haben.

Zu vermieten: Wenn der Laden für immer schließt. Foto: Imago
Zu vermieten: Wenn der Laden für immer schließt. Foto: Imago

Mehr als 300 Unternehmen haben laut Statistischem Landesamt im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt Insolvenz beantragt. Auch bundesweit zeichnet sich bei den Firmenpleiten laut Industrie- und Handelskammer (IHK) ein Negativtrend ab. In ihrer aktuellen Konjunkturumfrage unter mehr als 25.000 Unternehmen beklagen die Betriebe nicht nur eine schwache Nachfrage. Die Ursachen, weshalb manche Geschäfte sogar schließen mussten, sind vielschichtig. Isabell Sparfeld und Robert Horvath haben die fünf Hauptgründe mit Betroffenen und Experten zusammengetragen.

 

 

1. Kein Nachfolger, der den Betrieb übernimmt

Andreas und Cornelia Axt, 
Gärtnerei Axt in Halle Foto: Andreas Stedtler
Andreas und Cornelia Axt, Gärtnerei Axt in Halle Foto: Andreas Stedtler

Andreas Axt verkauft nur noch die Reste. „Dann ist endgültig Schluss.“ Der 67-Jährige leitet die Gärtnerei Axt in Halle in dritter Generation. Über das Ende des 1947 gegründeten Familienbetriebs zu sprechen, lässt auch den gestandenen Geschäftsmann nicht kalt. Wirtschaftlich lief alles super, so Axt. Nur ein Nachfolger war nicht zu finden. Der hätte das gesamte Gelände übernehmen können. Und den über Jahrzehnte gewachsenen Kundenstamm. Doch „das will heute keiner mehr machen“.

Zum Teil könne er das auch nachvollziehen. Der enorme Arbeitsaufwand als Unternehmer; steigende Kosten und Abgaben, die man erst einmal erwirtschaften müsse; der damit wachsende Aufwand im Vergleich zum Nutzen; und schließlich die zunehmende Bürokratie, die besonders in kleineren und Familienunternehmen Zeit und Kapazitäten binde. All das bei ungewissen Erfolgsaussichten. „Wer will denn dieses Risiko eingehen?“

 

 

2. Qualifizierte Fachkräfte fehlen verstärkt seit Corona

Martin Krollmann, 
Restaurant Atrium in Stendal
Martin Krollmann, Restaurant Atrium in Stendal

Vermutlich die meisten Geschäfte in Sachsen-Anhalt beklagen Personalmangel. Das ist auch ein großes Problem beim Restaurant Atrium. Bereits seit zehn Jahren führt Martin Krollmann das Lokal in der Stendaler Innenstadt. Er müsse nicht unbedingt schließen, aber „Gastronomie macht keinen Spaß mehr", sagt Krollmann. Schuld daran sei auch der Personalmangel. Zudem laufe sein zehnjähriger Pachtvertrag aus.

Schon vor Corona habe er keine Auszubildenden mehr gefunden. Während der Pandemie hat sich der Effekt verstärkt. Nun gibt es Quereinsteiger, aber auch immer mehr neue Kochgeräte für Ungelernte. Daher müsse man viel investieren und umstrukturieren. Außerdem brauche es heute mehrere Einnahmequellen etwa durch Catering oder Unterkünfte, sowie neue Ideen rund um Quereinsteiger und wenig Personal. Am 2. August schließt das Lokal seine Pforten.

 

 

3. Steigende Konkurrenz durch den Onlinehandel

Klaus Becker, 
Bastelladen Kreativ-Bude in Wittenberg Foto: Thomas Klitzsch
Klaus Becker, Bastelladen Kreativ-Bude in Wittenberg Foto: Thomas Klitzsch

In Wittenberg hat Klaus Becker fast 31 Jahre lang die Kreativ-Bude geführt. Der Bastelladen litt vor allem unter den günstigen Angeboten im Internet. „Wir haben in den letzten 30 Jahre erlebt, wie die Absatzzahlen runtergingen“, sagt Becker. Das liege nicht an der Stadt. „Es ist die Einstellung eines jeden Einzelnen“, erklärt der 70-Jährige.

Die Menschen würden lieber bequem von zu Hause einkaufen wollen, als dafür in die Stadt zu gehen. Inzwischen hat er selbst einen Onlineshop, aber der Aufwand sei groß und mit kostenlosen Retouren könne er nicht mithalten.

Zusätzlich machten ihm die steigenden Kosten zu schaffen. Einsparpotenzial gab es wenig. Das Geschäft führte er mit seiner Frau. Dazu komme auch noch sein Alter, aber Hoffnung einen Nachfolger zu finden, hatte er nicht. Ende vergangenen Jahres hat die Kreativ-Bude geschlossen. Im kleinen Rahmen geht es online weiter.

 

 

4. Gestiegene Energie-, Arbeits- und Materialkosten

Die Coronazeit hatte die Keramikscheune Spickendorf im Saalekreis noch mit einem blauen Auge überstanden. Nach der Pandemie blühte der stationäre Handel wieder auf. „Die Leute wollten raus. Der Laden war voll“, sagt die Geschäftsführerin Alexandra Häder. Doch dann folgte die nächste Krise: Der Krieg in der Ukraine. Inflation, Energie- und Nahrungsmittelkosten steigen, den Leuten bleibt weniger Geld im Portemonnaie.

„Den Konsumverzicht hat man deutlich gemerkt.“ Dem entgegen standen die eigenen, stetig wachsenden Ausgaben. Auf die steigenden Energiekosten reagierte Häder mit neuen Energieverträgen und sparte im Geschäft – im Rahmen der Möglichkeiten – mit Heizung und Licht. „Die Energiekosten konnten wir halbwegs abfangen“, erzählt die 41-Jährige. „Aber auch die Lohn-, Waren- und Bestellungskosten sind gestiegen.“ Letztendlich haben Umsatzrückgang und Kostenspirale die 1991 gegründete Keramikscheune Spickendorf in die Knie gezwungen.

 

 

5. Ausufernde Bürokratie als Bürde für kleine Unternehmen

Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat der Regierung im vergangenen Jahr zu weniger Bürokratie geraten. Das unabhängige Gremium untersucht den Zeitaufwand und die Kosten, die durch neue Bundesgesetze bei den Firmen entstehen. „Der gemessene jährliche Aufwand für die Unternehmen ist so hoch wie noch nie“, sagt Lutz Goebel, Vorsitzender des NKR. Kleine Betriebe seien von den bürokratischen Belastungen am stärksten betroffen.

Die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben, Dokumentations- und Informationspflichten forderten einen  enormen Zeitaufwand. „Diese Arbeitszeit fehlt dann für ihre eigentlichen Aufgaben“, erklärt Goebel. Unnötige Bürokratie vergrößere die Not der Unternehmen zusätzlich zu dem akuten Personalmangel, den gestiegenen Kosten und schrecke Menschen ab, sich selbstständig zu machen.